Die Essenz eines Songs

„Ich liebe einen guten Song“, sagt Rebekka Bakken. Im Interview verrät sie uns, wie der Jazz ihr half, ihre eigene Stimme zu finden. Ein Gespräch über die Anfänge als Sängerin, die Angst vorm Scheitern, über Risiken und warum es sich lohnt, sie einzugehen. Am 20. April spielt Rebekka Bakken beim Jazzfest Bonn im Telekom Forum.  

Jazzfest Bonn Rebekka Bakken

In unserem Magazin geht es in diesem Jahr um das Thema Risiko. Gehst du gern Risiken ein?  

Ich gehe immer wieder Risiken ein, auch wenn ich es jedes Mal schrecklich finde. So wie bei meinem aktuellen Album Always On My Mind. Als ich daran gearbeitet habe, hatte ich außer meiner inneren Stimme keinen Referenzpunkt, ob das, was ich da mache, gut ist. Das war ein großes Risiko, und vor allem am Anfang hatte ich Angst zu versagen. Aber mein innerer Drang, etwas auszudrücken, war stärker. Dieses Risiko gehe ich gern ein. Denn wenn ich da durchgehe, kommt am Ende etwas Wunderschönes dabei raus. 

Mit deinem neuen Album kommst du auch zu uns nach Bonn. Es besteht aus 15 Coverversionen von mehr oder weniger bekannten Songs aus der Popgeschichte. Wie kam es zu dieser Idee?  

Ich liebe einen guten Song. Wenn ich einen guten Song höre, will ich seine Schönheit einfach in mir drin haben, will, dass er in mir widerhallt. Gute Songs sind der Grund, weshalb ich überhaupt mit dem Singen angefangen habe.  

Mit dem neuen Album habe ich mir deshalb einen Wunsch erfüllt. Ich wollte all die Lieder singen, die teils schon seit Jahrzehnten in meinem Kopf sind, bei denen ich aber nicht ganz so stolz bin sie zu lieben, weil sie so poppig sind. Stücke wie It Must Have Been Love von Roxette oder Bryan Adams’ (Everything I do) I do It For You. 

Es gelingt dir immer wieder, aus den Songs anderer Künstler*innen deine ganz eigene Version zu schaffen. Wie machst du das?  

Wenn ich einen Song höre, versuche ich seine Essenz zu erfassen. Es geht mir nicht um Stil. So wie bei einer Jacke zum Beispiel. Der Stil ist die eine Sache, und der Stoff ist die andere. Du kannst den Stoff nehmen, ihn fühlen und daraus ein Kleidungsstück in allen erdenklichen Stilen machen. Und so ist es für mich mit der Musik. Ich versuche nicht, den Stil der Originalversion zu imitieren. Ich interessiere mich nur dafür, mich in dem Song zu Hause zu fühlen und seine Essenz aufzunehmen. Wenn ich das gefunden habe, füge ich alles hinzu, was diese Vision unterstützt – Instrumentierung, Arrangement, Sound und so weiter.  

„Es geht mir nicht um Stile. Ich versuche, die Essenz eines Songs zu erfassen.“ 

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Der atmospährische Nick-Cave-Song “Red Right Hand” gehört zu Rebekka Bakkens Programm für das Jazzfest Bonn 2024.

In deinem aktuellen Programm geht es viel um Liebeskummer und Abschiedsschmerz. Warum?  

Ich finde diese Themen einfach interessanter als die naiv-fröhlichen Songs. Und das, obwohl ich selbst noch nie ein gebrochenes Herz hatte (lacht). Aber es sind eben die Songs über die Herausforderungen des Lebens, die mich berühren und mit denen ich an meinen inneren Kern gelange. Als ich das Album gemacht habe, war ich selbst gar nicht in so einer Phase, mir ging es gut. Über die Songs bin ich dann trotzdem dorthin gekommen.  

Zum Beispiel singe ich das Stück Break My Heart Again von Finneas O’Connell, dem Bruder von Billie Eilish. Da geht es um jemanden, der seiner Angebeteten Textnachrichten schreibt und sich nicht eingestehen kann, dass seine Gefühle nicht erwidert werden. Da konnte ich mich zuerst gar nicht hineinversetzen. Sich das Herz zweimal von derselben Person brechen zu lassen, wie geht das? Aber dann habe ich die Schönheit und tiefere Bedeutung des Stücks entdeckt.  

Und so sehe ich meine Rolle. Ich muss nicht entscheiden, ob das, was der Song sagt, richtig ist oder falsch. Ich muss nur die Bedeutung erfassen und mit meinen Mitteln ausdrücken. Ich bin quasi die Botschafterin, die die Essenz des Songs überbringt.

Spielt Jazz eine Rolle für deine Musik?  

Ja, eine große. Als ich als Sängerin angefangen habe, war ich von vielen fantastischen Jazzmusiker*innen umgeben, mit einigen von ihnen habe ich meine ersten Platten aufgenommen. Dabei habe ich herausgefunden, dass ich vor allem eins mag: simple Songs schreiben. Und simple Songs und Jazzmusik, das ist eine unglaublich schöne Kombination.  

Außerdem haben die Jazzmusiker*innen mir geholfen, meinen eigenen Weg zu gehen. Gerade in meinen Anfängen waren so viele unglaubliche Instrumentalisten in meinem Umfeld, in New York und auch in Deutschland. Ich habe damals zum Beispiel viel mit Wolfgang Muthspiel gearbeitet. Er ist genauso stur wie ich und kann eine musikalische Situation auch mal dominieren. Und das Einzige, was ich dagegensetzen konnte, war herauszufinden: Was ist mein ureigener musikalischer Ausdruck? Was ist meine Stimme? Ich wollte halt immer zur Band gehören, wollte nicht danebenstehen, sondern Teil des Bildes sein, das sie abgibt.  

„Jazz hat mir geholfen, meine eigene Stimme zu finden.“

Du kommst regelmäßig nach Deutschland, um Konzerte zu geben. Warum bist du gern hier?  

Ich fühle mich in Deutschland sehr zu Hause. Wenn ich hier auf der Bühne stehe, spüre ich ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Ich fühle mich sehr angenommen mit dem, was ich mache. Ich bin immer stolz, wenn ich Musiker*innen aus Skandinavien hierherbringe, die das mitbekommen und sagen: „Wow, so soll es sein.“  

Rebekka Bakken | sa 20 april ’24 19 h | Telekom Forum

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